Mit dem Übergang vom Kindes- zum Jugendalter verändern sich auch die Anforderungen an sexuelle Erziehung und sexuelle Bildung. Der Einfluss von Eltern nimmt kontinuierlich ab und andere Instanzen wie Schule, Medien und Gleichaltrigengruppen übernehmen Bildungs- und Erziehungsaufgaben bzw. rücken an deren Stelle. Im Kontext von beispielsweise Erziehungsbeistandschaften können Fachkräfte ambulanter Hilfen auch direkt eine Rolle in der Bildung und Erziehung von Jugendlichen innehaben und damit auch mit der sexuellen Entwicklung und den sexuellen Bedürfnissen und Erfahrungen Jugendlicher konfrontiert sein. Inwiefern sie von den Jugendlichen selbst aktiv als Ansprechpersonen zu sexualitätsbezogenen Fragen wahrgenommen werden, ist v.a. abhängig vom Vertrauensverhältnis und der Beziehungsqualität zwischen Helfer_in und jugendlicher/jugendlichem Klient_in. Der Blick von Erwachsenen (Eltern oder Fachkräften) auf Jugendsexualität ist stark durch gesellschaftliche und mediale Skandalisierungen geprägt und nicht selten eher defizitorientiert. Auch für die Arbeit mit Jugendlichen gilt, ihnen Räume zu ermöglichen und sie angemessen zu begleiten, damit sie ihre Sexualität selbstbestimmt und frei von Zwängen erfahren und erleben können. Dazu gehört, unabhängig von geschlechtlicher Zugehörigkeit und Identität, Jugendliche zu befähigen, sich selbstbestimmt und positiv eigener sexueller Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen bewusst zu werden und gleichzeitig die Sensibilität für die Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen anderer zu entwickeln.
Das Jugendalter mit seinen Entdeckungsstreifzügen ist nicht frei von Risiken und Gefahren, auch nicht im Bereich der Sexualität. Häufig kommen da Internet und soziale Medien zuerst in den Sinn. Das Internet ist ein Raum möglicher positiver und negativer Erfahrungen. Dies gilt auch konkret im Hinblick darauf, Jugendlichen einerseits Spiel- und Erfahrungsräume zu ermöglichen und sie andererseits auf Risiken aufmerksam zu machen und ihnen Kompetenzen im Umgang mit diesen Möglichkeiten zu vermitteln. Verbots-, Überwachungs- oder Bewahrungsbestrebungen allein sind wenig hilfreich, sondern tragen vielmehr dazu bei, dass sich Jugendliche stärker abgrenzen und Erwachsene auch im Falle problematischer Erfahrungen nicht als vertrauenswürdige Ansprechpersonen wahrnehmen. Studien zur Jugendsexualität bestätigen in der Regel nicht die verbreiteten gesellschaftlichen Vorbehalte und Ängste, die auch oft von Fachkräften so weitergegeben werden. Dennoch weisen diese Studien auch immer wieder auf besonders gefährdete und gefährdende Gruppen hin. Diese gefährdeten Gruppen finden sich überproportional häufig in den HzE. Es bedarf also bei den Fachkräften in der HzE einer besonderen Sensibilität und Kompetenz im Umgang mit jugendlicher Sexualität, die gerade unter den Bedingungen größerer Gefährdung den Blick auf die positiven Seiten der Sexualität nicht verlieren.
- Pornokonsum nicht verbieten oder tabuisieren, sondern ansprechbar sein und auf mögliche gefährdende, altersunangemessene und menschenverachtende Inhalte hinweisen.
- Im Gespräch über die Aktivitäten in sozialen Medien bleiben, möglichst selbst soziale Medien nutzen und Kontaktmöglichkeiten für Jugendliche dort anbieten. Anfragen gilt es dann selbstverständlich auch dort im Sinne fachlicher Professionalität zu bearbeiten.
- Alle Geschlechter zum Ausschöpfen ihrer Möglichkeiten anregen, Jungen nicht nur als Gefährder und Mädchen nicht nur als Gefährdete wahrnehmen; die Vielfalt geschlechtlicher Identität anerkennen und ermöglichen.
- Jugendliche eigene Erfahrungen in der Beziehungsgestaltung machen lassen und sie darin ernst nehmen.
- Gespräche über Sexualität nicht auf Fortpflanzung und Schwangerschaftsverhütung reduzieren.
- Angebote und Gesprächsanlässe schaffen.
Literatur:
Bode, Heidrun/Heßling, Angelika (2015): Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14-bis 25-Jährigen. Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativen Wiederholungsbefragung. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln. https://www.forschung.sexualaufklaerung.de/fileadmin/fileadmin-forschung/pdf/Jugendendbericht%2001022016%20.pdf (09.01.2020)
Döring, Nicola (2019): Jugendsexualität heute: Zwischen Offline- und Online-Welten. In: H.-J. Voß & M. Katzer (Hrsg.), Kulturelle Bildung zur Förderung geschlechtlicher und sexueller Selbstbestimmung: Zur Relevanz von Kunst und Medien (S. 221-244). Gießen: Psychosozial Verlag.
Weller, Konrad (2013): Handout. Ausgewählte Ergebnisse der PARTNER 4-Studie Sexualität & Partnerschaft ostdeutscher Jugendlicher im historischen Vergleich. https://www.ifas-home.de/downloads/PARTNER4_Handout_06%2006.pdf (09.01.2020)